Als „Zugroaste“ werde ich nie echtes Bairisch sprechen. Das ist auch nicht mein Ziel, aber schee wär’s scho, wenn i’s kenna tät – denn dieser Dialekt entzückt mich, pendelt er doch irgendwo, irgendwie zwischen derb und zärtlich. Anfangs habe ich mich allerdings ein wenig vor ihm gefürchtet. Unvergessen die ersten Münchner Bürotage, in denen ich mich am Telefon mit „Grüß Gott!“ melden sollte. Das ging mir kaum über die Lippen, ich fühlte mich wie eine schlechte Schauspielerin. Noch schlimmer war es, das erste Mal eine „Leberkässemmel“ zu bestellen. Ich war mir sicher, ich würde mich beim laut Aussprechen komplett lächerlich machen. Ähnlich seltsam fühlte ich mich mit „Auf Wiederschaun!“ und „Pfüati“; „Radel“, „koit“, „schee“ und „gell“ gingen dagegen sofort in meinen Wortschatz ein. Meine Freunde daheim diagnostizierten nach nur zwei Monaten München bei mir „Versepplung 1. Grades“. Die Münchner Freunde waren an meiner Fortbildung interessiert: Das Übungsmantra hieß „Oachkatzlschwoaf“ und wurde beständig von ihnen abgefragt. Sie weihten mich in die Bedeutung von „fei“ ein, was der Norddeutsche – je nach Zusammenhang – mit „wohl“, „aber“ „doch“ oder „ganz schön“ übersetzen würde. Mein Lieblingsausdruck wurde und ist bis heute „mei“, weil er so vielfältig einsetzbar ist: In dieser einen Silbe kann Bewunderung, Erstaunen, ein Achselzucken, Mitgefühl, Freude aber auch Schadenfreude oder Resignation schwingen, je nach Betonung. Viel sagen, ohne viel zu sagen – pfundig!
Eine Kollegin erging sich mir zuliebe in Schimpfkanonaden, gespickt mit „Kruzinesen“, „Kruzitürken“, „Sacklzement“, „Sakradi“ oder Redewendungen wie „du koannst mir moal aan Schuh aufbloasn“ oder „da schaugst mim Ofenrohr ins Gebirg“. Für das Alltagsleben erklärte man mir „Wammerl“, „Fleischpflanzerl“, „Giggerl“, „Reherl“, „Karfiol“, „Ribisl“ „Steckerlfisch“, damit ich diverse Speisekarten und Verkaufsschilder auf dem Viktualienmarkt verstehen konnte. Unterwegs wurde ich auf „Zamperl“, „Zwergerl“ (oder sind es „Zwaggerl“?), „Zwutschgerl“, „Gschaftlhuber“, „Zwiderwurzn“, „Grantler“ und „Trietschler“ hingewiesen. Anstatt zum Bergwandern ging’s zum „Kraxeln“ und für die Wiesn brauchte es ein „Gwand“. Übrigens trug mir die Anschaffung eines Secondhand-Dirndls die sofortige Anerkennung der „Versepplung 2. Grades“ ein.
Genial finde ich die Anrede, die „du“ oder „Sie“ vermeidet, wie in „Wo habt’s denn a Mehl?“ oder „Macht’s amoal Platz!“. Und manches klingt auf Bairisch einfach charmanter als auf Hochdeutsch, auch wenn es etwas SEHR klarstellt: „Des kannst verreibn!“ lässt mich eher schmunzeln als ein „Vergiss es!“. Doch wie schreibt man „verreibn“? In meinen Ohren klingt die Endung wie ein gleichzeitig ausgesprochenes „m“ und „b“ – gibt es dafür einen Extrabuchstaben oder etwas Hatschek-Artiges? Überhaupt: Manche bairischen Ausdrücke muss ich geschrieben sehen, um sie zu begreifen. Und manche sehe ich geschrieben und begreife sie nicht. Wie beim Exotenkraut, das ich auf dem Viktualienmarkt entdeckt hatte. Als ich die Standlfrau fragte, was für ein besonderes Gewächs sie da anbietet, fiel der Groschen während des Aussprechens: Das Kräutlein hieß „Bädasui“.
Na, liebe Nordlichter?