Wasser des Lebens aus den bayrischen Highlands

Eines meiner Sehnsuchtsziele ist Schottland. Wegen der Landschaft, dem Licht, der Leute und natürlich dem Whisky, dem „Wasser des Lebens“. Vorerst zog es den Niederrheiner und mich jedoch nach „Slyrs“, das südlich von München liegt. Die Fahrt mit der Bayerischen Oberlandbahn (BOB) dorthin dauert etwa 1 Stunde. Sein keltisch-klingender Name, der auf ein Kloster aus dem 8. Jh. zurückgeht, hat sich inzwischen zu „Schliersee“ gewandelt: Er bezeichnet sowohl den Ort als auch den See, an dem dieser Ort liegt. Es lässt sich dort herrlich wandern, nicht nur um den See herum, sondern auch auf die hier irgendwie besonders „zipflig“ wirkenden Berge (die Aussicht von oben runter auf den See lohnt die Kraxelei). Wir verbrachten ein Wochenende dort und mieteten uns auf einem Campingplatz mit direktem Zugang zum See ein. Und dann begaben wir uns auf die Suche, nach der Whisky-Destillerie! Sie liegt allerdings in Fischhausen-Neuhaus, einen ordentlichen Fußmarsch von Schliersee entfernt (aber auch dort hält die BOB, wie wir später sahen). Wir fanden ein schlicht, aber freundlich wirkendes Holzhaus, zahlten 5 Euro Eintritt, in dem eine Verkostung enthalten ist, und gingen zunächst in einen kleinen Kinosaal. Ein Film erzählte Allgemeines über die Whisky-Herstellung (etwa auch, dass Indien und Japan mit zu den größten Whisky-Produzenten weltweit gehören). Und dann, wie es zum bayrischen Single Malt, der ebenfalls „Slyrs“ heißt, kam. Der Brauerei-Student Florian Stetter, hatte vor fast 20 Jahren Schottland besucht. Vieles erinnerte ihn an seine Heimat Oberbayern, weshalb er wettete (um einen Kasten Weißbier, wie die Internetseite verrät), er könnte auch zu Hause, Whisky brennen. Andere hätten wahrscheinlich den Kasten Bier abgedrückt und es gut sein lassen. Florian Stetter tüftelte aus, wie aus Gerstenmalz mit frischem Quellwasser aus der Gegend Whisky-Maische entsteht.

Auf dem Rundgang in der Destillerie waren wir fasziniert von der engen Verbindung zwischen Brotbacken, Bierbrauen und Whisky-Herstellung, die ganz ähnlichen Ausgangsprodukte. Auf Schautafeln erfuhren wir viel über den Herstellungsprozess, Gerstenkörner und -schrot standen in kleinen Proben zum Hineinfühlen bereit. Wir schlenderten an den Brennblasen vorbei, wo das Destillat entsteht, das danach drei Jahre in Eichenfässern gelagert wird. Das Fasslager empfing uns mit wunderbarem Duft: Ein warmer Eichenton, dem das glasklare Destillat nicht nur sein Aroma verdankt, sondern auch seine Bernsteinfarbe. Die 225-Liter-Barriques aus amerikanischer Weißeiche liegen dort in mehreren langen Reihen angeordnet und übereinander gestapelt. Beim Reifen tritt ein recht großer Teil des Alkohols aus den Fässern aus – er wird als „Angels’ Share“ bezeichnet. Wenn ihr also in dieser Halle seid, atmet ihr quasi Whisky ein …, hey, auch wieder aus! In der Probierhalle – mit einer ganz und gar umwerfenden Aussicht auf die Alpenlandschaft – haben wir an Whisky in verschiedenen Reifestadien gerochen, was zum Teil gewöhnungsbedürftig war. Auch dabei mussten wir an Sauerteig denken, sowie ans „Hopf“, ein Bier, das in Miesbach, einem Nachbarort von Schliersee, gebraut wird. Dann holten wir uns unser Degustations-Set und bekamen eine genaue Anleitung: Auf einem Brettchen standen ein Glas Slyrs Whisky (43 % vol.), ein Glas Wasser, ein Glas Slyrs Likör (30 % vol.). Wir sollten erst ein wenig Wasser trinken, dann den Whisky testen, ein wenig Wasser trinken, dann den Likör probieren. Das war nun ein besonderes Erlebnis. Alle Düfte und Gerüche, die wir zuvor auf unserem Rundgang wahrgenommen hatten, fanden sich jetzt dort sehr deutlich im Glas wieder. Vom Whisky-Likör waren wir so angetan, dass wir später im Laden eine Flasche kauften. Übrigens ist die Abgabe des Whiskys dort limitiert: Jeder Erwachsene kann vom 43 %-igen Whisky zwei 0,7 l-Flaschen erwerben. Vom Slyrs Whisky Fassstärke, er hat zwischen 55 und 56 % vol., ist es nur eine Flasche pro Person. Wieder auf dem Campingplatz dachten wir bei einem Gläschen Whisky-Likör vor Sonnenuntergang über dem See, es hat schon was für sich, in Bayern ein Stück Schottland zu haben. Hat Schottland wohl auch ein Stück Bayern? Das wollen wir jetzt unbedingt herausfinden.