Der Sommer ohne Dahlien

„Abgesäbelt, schon Ende September – Sie sind zu spät“, sagt die Frau, die wie ich auf Foto-Safari im Botanischen Garten ist. Ich stehe etwas ratlos vor den kahlen Rabatten, in denen sich sonst eine wahre Dahlien-Pracht erhebt. Und denke: Ich habe keine Ahnung von meinen Lieblingsblumen. Es sind Sommer- und keine Herbstblüher, verdammt! Einmal im Jahr schmeiße ich mich in ihre Farben- und Formenvielfalt, das tankt meine Energiereserven auf und wird mir nie langweilig. Dieses Mal war ich besonders vorbereitet, mit Makro-Objektiv und Stativ – und sah stumm auf dem ganzen Beet herum. Nach kurzem Gefühl der Hilflosigkeit, was jetzt?, entdeckte ich dann den verborgenen Reiz des Zierkohls, die Schönheit des Vergehens, die Vielfalt der Herbstfarben, eine japanisch anmutende Brücke, ein besonderes Kunstwerk und die vielen Schrauben und Drehverschlüsse am Stativ.

Dann ein kleiner Gedankenaustausch mit einem älteren Herrn, der seine Seele an diesem sonnigen Föhntag ebenfalls in Farben badete. Wir überlegten, warum eigentlich so wenig Spielerisch-Nährendes im Alltag stattfindet, aber sobald jemand einen Burn-Out hat, Künstlerisches, Musisches und Bewegung verordnet wird. Das ist doch seltsam, oder? Eine Freundin von mir hat bei sich selbst Bore-Out diagnostiziert – Erschöpfung durch Langeweile bei der Arbeit. Nach Jahren des Haderns fand sie letztens heraus, dass ihr der Umgang mit Schönheit fehlt, was für sie Experimentieren mit Stoffen, Textilien, Schnittmustern bedeutet. Dort, wo sie wohnt, hat gerade ein Nähsalon eröffnet, der wie für sie geschneidert (!) ist: Dort kann nähen, wer will, Nähmaschinen sind vorhanden und Hilfe bekommt jede/r nach Wunsch. Eine tolle Idee, finde ich. Spielen zu dürfen, sich Auszuprobieren in dem, was einem Freude macht, das kommt gerade irgendwie zu kurz, ist mein Gefühl. Dabei trägt gerade das Spielen und Staunen über enge, womöglich selbstgesteckte Grenzen hinaus. Ich spiele halt gern mit dem Fotoapparat und entdecke neue Pflanzen: Wie etwa die „Zwergleinia herumhaengia lineariis“. Konnte sie allerdings in Edward Lears „Nonsense Botany“ nicht finden. Vielleicht trägt die Blume doch einen anderen Namen? Was meint ihr?

 Ach ja, und gestern haben wir „Sound of Heimat“ geschaut. Richtig nahe gingen mir die Lieder aus dem Erzgebirge, vielleicht, weil ein Teil meiner Vorfahren aus Sachsen stammt. Hingerissen bin ich von BoBo, zum Beispiel von ihrer kraftvollen Neuinterpretation von „Die Gedanken sind frei“. Bei youtube stieß ich auch auf ihre Version der „Königskinder“, wow!