Im Winterwinkel

So intensiv wie dieses Jahr, habe ich den Winter noch nie erlebt. Es sei die Zeit, „sich aus dem Fluss“ zu nehmen, las ich letztens. Und merkte: das muss ich gar nicht aktiv tun, es ergibt sich für mich heuer wie von selbst. Das Alte geht, das Neue ist nicht in Sicht – mittendrin ich. In der Atempause, sozusagen, nach dem Aus- und vor dem Einatem. Ich merke, wie schwer es mir fällt, in diesem scheinbaren Nichts zu dümpeln. So fange ich dies und das an, miste aus, bringe Dinge auf den Weg und gelegentlich auch ganz konkret mich. Meist wandere ich meine Lieblingsstrecke am Kanal entlang, dort wo der Fluss unaufhaltsam Bilder zeichnet.

Je nach Tages- und Jahreszeit, nach Sonneneinstrahlung, Wolkendichte, Wasserstand und Fließgeschwindigkeit entstehen ständig neue Flussaquarelle. Habe ich früher noch überlegt, ob ich ein Foto mache oder nicht, fotografiere ich heute immer sofort, was mich anlacht, was meine Aufmerksamkeit auf sich zieht. Denn: So manches Motiv ist nur kurz da. Aufschieben ist da nicht. Beim Laufen und Fotografieren komme ich ganz ins Hier und Jetzt. Alle Anspannung, die ich so am Schreibtisch ansammle, löst sich, wandelt sich zur Wohlspannung. Ich bin wach, interessiert, aber ohne feste Vorstellungen – ich lasse mich einfach überraschen. Und schwuppdiwupp bin ich mal locker zwei Stunden im Schnee unterwegs. Zu Hause spiele ich dann noch mit den Bildern, kippe oder drehe sie, einfach, weil’s mir Freude macht – euch vielleicht auch?