Auf dem Sonnenweg

„Pelz und Bikini, mehr als diese beiden Kleidungsstücke brauche ich in München nicht“, sagte die Metzgereifachverkäuferin an einem schwül-warmen Föhn-Januartag zu mir. Wie recht sie hat, dachte ich schon damals, und nach dem Temperatursturz von heute muss ich wieder an sie denken, als ich den Pelz hervorkrame. Letztes Wochenende hatte ich ihn eingemottet und den Bikini ausgepackt, dazu Wanderschuhe angezogen, um mit meiner lieben Freundin R. den Sonnenweg entlang zu spazieren. Das mit dem Sonnenweg ist natürlich reine Erfindung! Aber seit ich dieses gelbe Strahlenzeichen auf blauem Grund auf meiner „Ich-lüfte-mich-aus“-Lieblingsstrecke an der Isar entdeckt hatte, hieß er so für mich. Bis ich in der Stadtbibliothek auf das Buch „Der Münchner Jakobsweg“ von Monika und Reinhold Hanna stieß: Das Sonnensymbol stellt eine stilisierte Jakobsmuschel dar! Und einer der Einstiege auf den Jakobsweg liegt direkt vor meiner Haustür. Das Ehepaar Hanna hat diesen Teilabschnitt des Weges von München bis an den Bodensee, wo der Schweizer Jakobsweg anknüpft, gebahnt, indem es ihn erwandert und mehrmals abgegangen ist. Später sorgten die beiden auch für die Beschilderung, damit andere es ihnen nachtun können, seien es nun Pilger oder Wanderlustige. Und sie beschreiben die einzelnen Streckenabschnitte und was es dort zu sehen gibt in ihrem Buch und auf ihrer Website.

R. war sofort Feuer und Flamme, als ich ihr vorschlug, im Frühling mal die erste Etappe bis zum Kloster Schäftlarn zu wandern. Und so machten wir uns letzten Sonntag gegen 11 Uhr auf, ganz ohne Pilgergrund und Gebete (obwohl R. welche in petto gehabt hätte). Ich wollte einfach laufen, mir den Frühlingsbeginn und was so auf dem Weg liegt anschauen. Ich hatte mich noch im Internet schlau gemacht, wie das Jakobsweg-Zeichen eigentlich zu lesen ist: Nicht die Strahlen zeigen die Richtung an, sondern das andere Ende – ich hatte geglaubt, es sei anders herum. Zunächst führten uns die Schilder auf unserer gewohnten Rennstrecke zur Großhesseloher Brücke und weiter zur Waldwirtschaft. Dort ging’s zu, wie auf dem Oktoberfest: „Radi-Rock“, würde ich die Klänge nennen, die wir dort kurz von voXXClub, wie R. erfragte, hörten. Wie ich jetzt herausfand, waren wir in einen Flashmob der Band (und ihrer gedirndelten und gelederhosten Fans) geraten. Sie hatten den Biergarten gestürmt, normalerweise liegt da ja eher Jazz in der Luft. Wir wollten lieber die Vögel zwitschern hören und zogen weiter. Jetzt lebe ich schon so lange in München und hatte keine Ahnung, wie schön das Isartal ist! Allein die Aussicht von Pullach hinunter auf den Fluss sowie auf die Berge, die in der Ferne zu sehen waren, faszinierten nicht nur uns, sondern alle die endlich aus dem Winterschlaf erwacht waren. Vorbei an Jugendherberge Burg Schwaneck und dem BND, ging’s zum Pullacher Bürgerhaus, wo wir uns im Café mit einer Terrasse hoch über den Kiesbänken ein Kaltgetränk gönnten. Wir bestaunten die geschmiedeten Grabkreuze auf dem Friedhof rund um die Heilig-Geist-Kirche, schön bemalte Häuser, die direkt an der Isarhangkante liegen. Der Weg führte runter zur Grünwalder Brücke mit dem gut besuchten Brückenwirt und dann weiter, immer der Isar entlang durch den Wald nach Hohenschäftlarn. Trotz Pause mit Apfel und vegetarischem Powertaler von R. war ich kurz vor dem Ziel nach etwa 5 Stunden Wandern ein klitzekleinwenig erledigt. Wir entschlossen uns deshalb an einer Wegkreuzung hoch zur S-Bahn, statt runter zum Kloster zu gehen. Ein Zwischenstopp wollten wir noch am Isartalbahnhof einlegen, um im Biergarten dort auszuschwingen. Aber er war geschlossen, auch gut. Also heim, auf die Terrasse, die Katze bemuttern, abhängen und sich freuen, Wanderweiber (oder doch Pilgeretten?) zu sein – ach was, auf jeden Fall unterwegs.

Die nächste Etappe würde vom Kloster Schäftlarn nach Andechs führen, also falls jemand Lust hat, mitzupilgern … nur bei Bikini-Wetter natürlich.