Ein Nachmittag im alten Ägypten

Als leicht klaustrophobischer Mensch war ich mir nicht sicher, ob ich das neue Museum Ägyptischer Kunst München, das unter der Rasenfläche vor der Filmhochschule an der Gabelsbergerstraße liegt, würde besuchen können. Aber meine Bedenken waren unbegründet: Zwar wirkt die nach unten führende Riesentreppe etwas einschüchternd, der Eingang selbst von oben gesehen winzig, doch die Dimensionen verändern sich beim Hinabsteigen. In die Ausstellungsräume führt eine weitere Treppe noch tiefer in die Erde, aber erstaunlicherweise ist es taghell: Licht fällt von einem Atrium durch eine betonsäulenbestandene Fensterfront in die hohen Räume – Platzangst kommt da (bei mir) nicht auf. Die Architektur finde ich ganz wunderbar, der Beton, ist er geschliffen?, wirkt warm und hat, wie meine Freundin R. bemerkte, dunklere Einschlüsse, die an Hieroglyphen erinnern. Der Weg durch die Ausstellung mit den zum Teil äußerst fein gearbeiteten Objekten wird durch eine erhabene Metallschiene auf dem Fußboden angezeigt. So bewegt man sich fast spielerisch durch die verschiedenen Räume und verpasst keinen, manchmal überraschend engen Übergang von einer Halle in die nächste – zum Teil könnte man glauben, man befände sich tatsächlich in einer ägyptischen Tempelanlage.

Die Exponate, von denen einige ja um die 5000 Jahre alt sind, werden auf ansprechende Weise und exzellent ausgeleuchtet präsentiert: entweder in Vitrinen, als frei zugängliche Stand- oder Wandbilder. Objekte, die sich mit dem Totenkult und Jenseitsglauben der alten Ägypter beschäftigen, sind in abgedunkelten Räumen zu sehen, auch, weil die einzelnen Stücke ziemlich empfindlich auf Licht reagieren. (Ein Grund, weshalb nicht mit Blitz fotografiert werden darf. Blöd ist es, eine Kamera zu besitzen, die per Licht vorher die Lichtverhältnisse abscannt …) Wer gerne die Skulpturen berühren, die Struktur der verschiedenen Steine erfühlen möchte, hat in einem besonderen Raum indirekt Gelegenheit dazu: Dort liegen auf einem Tisch verschiedene Natursteine, ungeschliffen und geschliffen, und können befühlt und abgetastet werden. Auf Sideboards ringsum wird erklärt, wie aus einem Steinblock eine Skulptur entsteht, und auch Stelen mit eingeritzten Hieroglyphen können ertastet werden. Die gesamte Fülle altägyptischer Kunst kann bei einem Antrittsbesuch gar nicht erfasst werden. Auch für die Erklärungen, die in dunkler Schrift in Deutsch und Englisch auf den rohen Wänden stehen, braucht es mehr Zeit. Immer wieder schön waren die Aussichten, die sich an verschiedenen Stellen in das Atrium eröffneten und der Rückblick auf die jeweiligen Räume, die man durchschritten hatte, beim Weg zurück nach oben, zum Ausgang hin. Interessant fand ich, wie sich die eigene Wahrnehmung verändert. Als ich das Museum verließ, entdeckte ich direkt „moderne“ Hieroglyphen:

Und hier noch eine Rätselaufgabe: Wer kann mir sagen, was der rote Stab an der Decke im Ägyptischen Museum zu suchen hat?