Der Schnee war dem Kohl sein Tod

Das bekam meine Freundin auf dem Viktualienmarkt zu hören, als sie versuchte, für das alljährliche Kohl-und-Pinkel-Treffen Grünkohl zu besorgen. Doch der war in Bayern unter der Schneelast im Dezember zusammengebrochen, die kärglichen, noch verwendbaren Restbestände bereits ausverkauft. Denn: Nur eine kleine Minderheit im Freistaat verlangt nach der „Oldenburger Palme“, weitgehend Nordlichter, die in München wohnen. Deshalb wird Grünkohl anscheinend auch nur im Umland der bayerischen Landeshauptstadt angebaut. (Obwohl wir uns direkt Gedanken über die neue Grünkohl-Mode in New York machten – als “Kale salad” oder “Kale Smoothie” detoxed und figurschmeichelt das hartfaserige Grünblatt sich ja sogar roh zunehmend um die Welt.) Für unser Fest musste erstmals seit undenklichen Zeiten Grünkohl aus Norddeutschland „importiert“ werden. Die köstlichen polnischen Würste und vor allem der Pinkel, eine Grützwurst, die aus Hafer- oder Gerstenkörnern, viel Fett, Zwiebeln und Gewürzen besteht, kamen wie immer von Clasen. Dieser Metzger hat seinen Laden im Neuen Rathaus zur Dienerstraße hin und versorgt (nicht nur) heimwehkranke Westfalen, Niedersachsen und Franken mit Wurstspezialitäten von daheim.


Während der Grünkohl vor sich hinblubberte, machten wir uns zum Boseln auf in den Forstenrieder Park, der ein Wald ist. In der Nacht zuvor war gerade rechtzeitig Schnee gefallen und hatte unsere altvertraute Boselbahn weiß gemalt. Heuer traten die „Düwelskerls“ gegen die „Slauköpp“ an: Beim Boseln, eine Art Boccia mit ziemlich großen Hartgummibällen, geht es darum, in so wenig Würfen wie möglich das Ziel zu erreichen. Die Kugel sollte wie beim Kegeln gerollt und nicht geworfen werden, was nicht immer ganz einfach umzusetzen ist. Zum Glück dämpfte der Schnee manchen Höhenflug ab. Neu waren dieses Jahr die fachmännischen Kommentare der Waldspaziergänger: Fast alle wussten, dass es sich um eine Kohl-und-Pinkel-Tour handelte – unser bunter Haufen darf sich also rühmen, über die Jahre hinweg viel für die bayerisch-preußische Völkerverständigung und den Kulturaustausch getan zu haben. An unserem Ziel, einer Holzhütte im Wald, fanden dann der traditionelle Teebeutel- und Sockenweitwurf statt sowie das Bierdosenumwerfen mit einem Kugelschreiber, der an einen Strick und um den Bauch gebunden wird. Nur mit einem genial-lockeren Elvis-Presley-Hüftschwung gelingt es, die Dose zu Fall zu bringen. Nach so viel Sport kehrten wir zurück ins Warme, tranken den ein oder anderen Schnaps vom Zinnlöffel und stillten unseren Bärenhunger: Es lebe der Grünkohl, und der Pinkel natürlich auch!