SprachLos

So wenig, wie ich hier gerade schreibe, könnte man meinen, ich hätte keine Worte mehr. Aber nein, das Gegenteil ist der Fall. Ich beschäftige mich momentan jedoch weitgehend mit dem Schreiben der anderen und habe etliche Texte zu bearbeiten. Im Herbst dieses und Anfang des nächsten Jahres werden in meinem geschätzten Hausverlag wieder richtig tolle und recht ungewöhnliche Kindersachbücher von pfiffigen Autorinnen erscheinen – so viel Werbung darf ich hier mal andeutungsweise machen. Das große SprachLos ziehe ich auch jeden Morgen auf dem Blog von Frau Quersatzein. Sie lockt mit Gedichten aus allen Epochen sowie eigenen, mit selbst verfassten Schüttelreimen, Limericks, Haiku oder findet interessante Sprachspielereien als Installation auf der Straße. An eine ihrer letzten Entdeckungen fühlte ich mich erinnert, als ich hier im Städtchen vor einem Modegeschäft ein Plakat sah. Ein Wort war verwegen gesetzt: fabelhaft. Warum das grafisch wohl so aufbereitet worden ist, fragte ich mich noch, als sich eine weitere Ebene öffnete und ich mich in Fabeln gefangen sah, auf Jahre umgeben von Reineke Fuchs, Meister Lampe, Grimbart oder Adebar. MärchenHaft war die nächste Assoziation: Heißt das, kein Entkommen aus den Fängen von Dornröschen, Schneewittchen, Hänsel und Gretel? Oder wie wäre eine TraumHaft? Geschweige denn eine AlptraumHaft?? Und was um alles in der Welt ist SchleierHaft??? Der FC Bayern München ist zur lebenslangen MeisterHaft verurteilt, das Wetter zur WechselHaft verdammt. In der LachHaft muss man als Therapie eine bestimmte Art von Yoga praktizieren, in der SchauderHaft Gruselfilme in Endlosschleife über sich ergehen lassen (das ist ja fast schon Folter!). Leser der Harry-Potter-Romane werden in ZauberHaft genommen und merken es noch nicht einmal oder haben nichts dagegen. Da sage noch jemand, das Leben auf dem Lande böte keine Anregung, ich komme hier anscheinend auf die schrägsten Ideen.

Und sonst so? Begleite ich meine Mutter zum Kleinstadtfriseur, warte darauf, dass der Geysir in der Fußgängerzone ausbricht und entdecke eine neue Botschaft des Ostwestfälischen Weisheitsorakels (von Loriot inspiriert). Nach meiner ersten schönen Sommerlektüre „Die große Liebe“ von Hanns-Josef Ortheil lasse ich mich gerade von Hubert Reeves „Schmetterlinge und Galaxien“, München 1990, (ein Bücherflohmarktfund) von Fragen zum Sein überraschen, begeistern und erheitern: War zwei und zwei schon vier, als es die Mathematik noch nicht gab, z.B.? Schön auch sein Vorschlag, der das ewige Rätsel löst, was zuerst da war, die Henne oder das Ei. Und wie ist das mit den Gegensätzen „Notwendigkeit und Zufall“, also grundlegende, bewiesene Gesetzmäßigkeiten im Gegensatz zum Chaos, sozusagen, schließen sie sich aus, ergänzen sie sich? Und was entsteht bei einem möglichen Paartanz der beiden? Ein Physiker, der auch eine poetische Ader hat, fesselt mich mit seinen philosophischen Überlegungen und nimmt mich mit auf seine, wie er sie selbst nennt, „Kosmologischen Streifzüge“.
Und dann ist da noch die Sache mit dem Schnittlauch, der einen kleinen Fotorausch bei mir auslöste. Bienen lieben ihn übrigens sehr: Einfach auf dem Balkon anbauen, blühen lassen und die Blütenkugeln bieten auf engstem Raum gepackt eine riesige Bienenweide! Win-Win vom Feinsten.

Update 5.7.2019: Da sieht man wieder, dass ich keine Ahnung von der Botanik habe. Und auch meine sonst so zuverlässige Kräuterfrau ließ mich schmählich im Stich: “Ja, klar, das ist Schnittlauch. Den säe ich jedes Jahr aus.” Leise Zweifel hatte ich ja bereits die ganze Zeit: Warum war mir Schnittlauch bisher NIE so spektakulär erschienen. Einen Selbstversuch später (nee, fürs Butterbrot würde ich mir den nicht klein hacken) und Befragung der allwissenden Tante G war klar: Mein Lieblingsschnittlauch ist ein Zierlauch und trägt den herrlichen Namen Allium sphaerocephalon. Ganz Win-Win ist das also nicht. Aber der Mensch lebt ja nicht vom Brot allein, manchmal müssen es auch Rosen, äh, Zierläuche sein. Vielleicht geht im Balkonblumenkasten auch ein Allium schoenoprasum, ein Allium sphaerocephalon, ein Allium schoenoprasum … repeat!