Eine liebe Besucherin aus Frankfurt wollte am Samstagmorgen wissen, was genau eigentlich „Föhn“ sei. „Ein Wetter wie heute“, meinte ich und wies auf den stahlblauen Himmel. „Und der Grund, warum wir auch im tiefsten Winter an manchen Tagen hemdsärmelig im Biergarten sitzen und das wichtigste München-Utensil auspacken können: die Sonnenbrille.“ „Aber das ist doch super“, meinte die Besucherin, „einfach nur herrlichster Sonnenschein und Wärme.“ „Kombiniert mit prima Fernsicht, die Alpen treten einem in der Stadt quasi auf die Füße, interessanten Wolkenformationen und elendem Schädelweh“, antwortete ich. Den ganzen Freitag hatte ich damit zu kämpfen – klimatisch kann ich München immer noch nicht!
Offensichtlich gehöre ich zu den Menschen, denen Luftdruckveränderungen ziemlich zusetzen. Und bei Föhn, einer von vielen Fallwinden übrigens, die es auf der Welt gibt, verändern sich die Druckverhältnisse. Er übersteigt die Alpen und schaufelt warme, trockene Luft ins Voralpenland. Angeblich wird erst der zum „Föhner“, der mindesten fünf Jahre in München lebt. Die Gewöhnung an diese spezielle Wetterlage setzt ab 20 Wohnjahren ein, was ich persönlich nicht bestätigen kann. So schlimm und häufig wie früher sind die migräneartigen Anfälle nicht mehr, aber vollständig verschwunden auch nicht. Meiner Beobachtung nach treten sie zu Föhnzeiten immer dann wieder auf, wenn ich sowieso schon angespannt bin oder nicht genug Wasser getrunken habe (Bier ist, trotz reichlich Elektrolyte, eher kontraproduktiv). Eine weitere Begleiterscheinung des Föhns soll ja neben Herz- und Kreislaufproblemen erhöhte Reizbarkeit sein. In meinen Anfangsjahren hier habe ich miterlebt, wie sich gestandene Mannsbilder in der U-Bahn gegenseitig Schläge androhten – „Föhn“ hieß es dann achselzuckend von den anderen Mitfahrern. Samstagabend erzählte mir ein Kajakfahrer vom Föhnsturm. Wenn er von den Bergen ins Tal rast, kann sich ein ruhiger Fluss oder See von jetzt auf gleich in ein tosendes Gewässer verwandeln und man hat Mühe, noch ans Ufer zu gelangen.
Ohne die unangenehmen Nebenwirkungen genieße auch ich das Geschenk der Föhntage: das kurze Sommergefühl in der dunkleren Jahreshälfte.