War das zu emotional? War das angebracht? War das übertrieben? War es berührend? War es nötig? All diese Fragen tauchten auf, nachdem die 16-jährige Greta Thunberg vor dem UN-Klimagipfel ihre Rede gehalten hat. Was für einen Mut hat die junge Frau, auf diese Weise ihre Wut und Verzweiflung vor der gesamten Weltöffentlichkeit zu zeigen. Gab es bisher etwas Vergleichbares? Ich kann mich an nichts erinnern. Und es löste in mir verschiedene Reaktionen aus. Zum einen rührte es an die Trauer und die hilflose Wut, die mich auch jedes Mal überkommen, wenn ich sehe, wie Lebendiges, wie Leben dem Konsum geopfert wird, seien es Lebensräume, die weiterhin sinnlos zerstört oder aus Profitgier Tiere für mancher Menschen Jagd- oder Sammelgelüste umgebracht werden. Allerdings weine ich nur im stillen Kämmerlein – mit den Jahren ist Hornhaut auf der Seele gewachsen angesichts der Problemberge. Und außerdem gelten Frauen, die wegen „sowas“ heulen schnell und immer noch als hysterisch. Diese verborgene Seite dann auf dem Gesicht der Aktivistin zu sehen und wiederzuerkennen, fand ich fast peinlich – aber sie ist ja jenseits aller „vernünftigen“ Überlegungen und Abhärtung weiterhin da – und wurde mal schonungslos gezeigt. Dann allerdings fragte ich mich auch, ob Greta keinerlei Ahnung von den Umweltschutzbewegungen der letzten Jahrzehnte hat. Ja, Proteste sollen wachrütteln und haben das in Deutschland mit der grünen Bürgerbewegung Ende der 70er-/Anfang der 80er-Jahre auch tatsächlich getan, es entstand eine neue Partei, die bisher sträflich vernachlässigte Themen in den Mittelpunkt rückte, bewusst machte und in entsprechende Gesetze goss. So weit, so gut. Aber was passierte dann? Hat das alles nichts gebracht? Haben wir uns, habe ich mich vor allem darum gekümmert im Turbokapitalismus zu funktionieren und für das Wesentliche keine Zeit mehr gehabt? Warum läuft uns das Klima aus dem Ruder? Ist es die reine Gier, ein Übermaß an allem?
Oder fehlt es uns an einer anderen Art von Bewusstsein? Den Eindruck bekam ich, als ich letztens auf arte die Doku „Native America“ sah. Die Ureinwohner Nord- und Südamerikas haben eine vollkommen andere Weltsicht, begreifen die Erde als einen Organismus, von dem alle Kreaturen ein Teil sind. Ihre Fähigkeit, einen Ort zu bewohnen und ihn dann so zu verlassen, als wären sie nie dort gewesen, hat mich tief beeindruckt. Wer Teil eines Ganzen ist, schadet dem Ganzen nicht, denn es ist die, und zwar gemeinsame, Lebensgrundlage. Das bedeutet eine komplett andere Herangehensweise: Die Achtung vor dem Leben an sich wird von Anfang an vermittelt und bestimmt alle Lebensbereiche. Und das ist etwas, was wir in den Industrienationen in dieser Form nicht beherrschen und somit auch nicht als Tradition weitergeben können: Wir machen uns die Erde immer noch untertan und versuchen uns aus ihrem System zu lösen. Die Frage ist, ob das ohne Schaden und überhaupt möglich ist. Wie sich gerade zeigt, wohl eher nicht. Zwischenzeitlich überlegte ich vor dem Fernseher, ob wir uns nicht ab sofort von den Naturvölkern beraten und unterrichten lassen sollten.
Was gibt mir Hoffnung? Eigentlich vieles, was fantasievoll auf andere, nachhaltige Wege führt. Und immer wieder begeistern mich Menschen, die Bäume pflanzen (ich erinnere mich an eine französische Kurzgeschichte von 1953, die in den 1990ern mal ziemlich populär war und von einem Mann erzählt, der ganz allein ein Tal mit Bäumen aufstockte, woraufhin das Leben dorthin zurückkehrte; ich bewundere Wangari Maathai die „Mutter der Bäume“, und Felix Finkbeiner, der sich wiederum von ihr – der Friedensnobelpreisträgerin – zu seinem Projekt „Plant-for-the Planet“ inspirieren ließ. Gerade fällt mir ein, dass wir Realschüler in den 1970er-Jahren mit mehreren Klassen in unserer Gegend einen ganzen Hügel aufgeforstet haben. Ich weiß gar nicht, was daraus geworden ist. Ich glaube, ich muss mal nachsehen, wie es den Bäumen dort so geht. Und – falls da jetzt ein Wald ist – spazieren gehen.
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