Brezen sind in Bayern ja ein Grundnahrungsmittel. In der Schwarzbrot-/Pumpernickel-Gegend, aus der ich komme, waren sie eine Rarität, damals jedenfalls. Es gab nur einen einzigen Bäcker, der “Laugenbrezel” verkaufte – ein Teil meines Taschengeldes ging dafür drauf. Seit ich in München wohne, esse ich Brezen fast nur noch beim Weißwurstfrühstück und zum Obatzdn, aber immer noch gerne.
Bei einer Führung durch die Münchner Altstadt erfuhr ich vor ein paar Jahren von einer Besonderheit in der Heiliggeistkirche, die am Viktualienmarkt steht:
Dort ist auf dem mittleren Deckenfresko (ich glaube, die Gebrüder Asam haben es gemalt) ein Mann mit einer Brezn abgebildet. Das dürfte weltweit einmalig sein! Aber warum schwebt da eine Breze in luftiger Höhe in der Kirche? Sie soll an einen besonderen Akt der Mildtätigkeit erinnern, an die sogenannte “Wadlerspende”: Im 14. Jh. hattte das einflussreiche Bürgerehepaar Wadler dem Heiliggeistspital (es wurde, um Platz für den Viktualienmarkt zu schaffen, im 19. Jh. nach und nach abgerissen) Geld gespendet. Ein Teil davon floss in eine jährliche Armenspeisung, auf die der “Brezenreiter” aufmerksam machte. Ihn konnten die Menschen schon von Weitem hören: Das Pferd, auf dem er ritt, war nur an drei Hufen locker beschlagen, was einen ungewöhnlichen Klang erzeugte. Der Brezenreiter verteilte Brezen an die Bedürftigen und lud sie damit gleichzeitig zum Essen ins Spital ein. Der Brauch bestand bis 1801 und wurde dann verboten: Da der Brezenreiter zu wenig Brezen dabei hatte, wäre er von der aufgebrachten Menge beinahe gelyncht worden. Zur 850-Jahr-Feier der Stadt ist die Brezenreiter-Tradition von den Münchner Bäckern wiederbelebt worden. Ob sie dieses Jahr stattfindet, konnte ich nicht herausfinden. Allerdings machte einer der Hauptsponsoren vor kurzem sehr negative Schlagzeilen.
Wenn Ihr in München seid und sowieso den Viktualienmarkt besucht, schaut doch mal in der Kirche vorbei – werdet Ihr die Breze entdecken???
Übrigens, als ich das Foto gemacht habe, ertönte in der Kirche plötzlich engelsgleicher Gesang. Eine Quelle dafür konnte ich nicht finden. Ich vermutete, es müsse einen Übungsraum irgendwo im hinteren Teil der Kirche geben, aber auch das war nicht der Fall. Lautsprecher? Fehlanzeige! Hm, seltsam! Zu der Frauenstimme gesellte sich dann noch eine Männerstimme – Personen weiterhin nicht zu sehen. Ein himmlisches Wunder?
Das Ganze klärte sich auf, als der Gesang beim Verlassen der Kirche nicht leiser, sondern lauter wurde: Im Kirchenportal (der echte Eingang zur Kirche befindet sich an der Seite) hatten sich zwecks besserer Akustik zwei Opernsänger plus Pianistin (!) postiert. Ob sie von dem Effekt IN der Kirche wussten? Wahrscheinlich nicht. Aber er war ganz wunderbar.