Im Zauberbann des Stahlkünstlers

„Objekte aus Eisen“, so hieß der Kurs an der Volkshochschule München, den ich 1996 belegte. Ich fühlte mich magisch davon angezogen, obwohl ich vorher weder mit Metall, noch mit dem Schweißen oder Flexen je in Berührung gekommen bin. (Mal so nebenbei: Ein Hoch auf die Volkshochschulen, die Dinge unterrichten, die nirgendwo sonst auf dem Lehrplan stehen!)
Dementsprechend ehrfurchtsvoll stand ich vor den ganzen technischen Geräten, die mir das Arbeiten in der VHS-eigenen Werkstatt ermöglichen sollten. Meine allererste Schweißnaht war krumm und schief, und ich weiß nicht, wie oft ich in den Lichtbogen geschaut und mich „verblitzt“ habe. Das Arbeiten mit der Flex, ein Mordstrumm, mit dem man Eisen zerteilen kann, habe ich nie wirklich gelernt – man braucht dazu ziemliche Standsicherheit und eine ruhige Hand. Doch auch mit rudimentären Fähigkeiten und Hilfe von meinen Mitschweißern und unserer wunderbaren Schweißlehrerin, entstand eine Reihe von Skulpturen. Unser Kurs wuchs zu einem festen Kreis zusammen, und bis heute treffen wir „Schweißer“ uns regelmäßig zum Stammtisch bei „unserem“ Griechen oder wir besuchen gemeinsam die ein oder andere Ausstellung. Dieses Jahr nullte eins unserer Mitglieder und wir schenkten ihr einen Ausflug ins Alf Lechner Museum in Ingolstadt, mit anschließender Führung in Lechners Skulpturenpark in Obereichstätt im Altmühltal.


Alf Lechner, der 2015 ebenfalls einen runden Geburtstag feierte und 90 Jahre alt wurde, zählt zu den bedeutendsten deutschen Stahlbildhauern. Dank eines Patents für Kaltlichtlampen konnte er sich, finanziell weitgehend unabhängig, intensiv mit dem Material Stahl und seinen Möglichkeiten auseinandersetzen. Ganz einfache Formen sind sein Thema, die in verblüffenden Anordnungen immer wieder anders wirken und das räumliche Vorstellungsvermögen der Betrachter herausfordern. Wenn man seine Vorarbeiten auf und mit Papier sieht, bekommt man eine Ahnung von der Vielfalt, die sich beim „Spielen“ mit der Geometrie entfalten kann. Aufregend fand ich den Sprung von den äußerst zarten Papierfaltungen und Graphitzeichnungen zu den tonnenschweren Skulpturen, die aber trotz ihres Gewichts etwas schwebend Anrührendes haben. Weil Lechners Arbeiten derart massiv sind, wird er nicht so oft ausgestellt – es gibt nur wenige Museen, deren Statik das zulassen würde. Wie gut, dass es seit dem Jahr 2000 das Alf Lechner Museum in Ingolstadt gibt, eine ehemalige Fabrikhalle von Audi mit neuer, preisgekrönter Glasfassade, die die Räume wunderbar licht macht. Aber noch spektakulärer und einen oder mehrere Besuche wert, ist der Skulpturenpark in Obereichstätt. Er befindet sich auf dem Gelände eines ehemaligen Steinbruchs und einer Eisenhütte und gehört Alf Lechner, der in einem Gebäude dort auch wohnt. Obwohl die Führung zwei Stunden dauerte, verflog die Zeit nur so. So viele wunderbare Eindrücke, das Zusammenspiel von Landschaft – Stein, Fels, herbstbunte Bäume – und Kunst, wir waren komplett hingerissen. Selbst in der 2014 neu errichteten Ausstellungshalle – mit einer 50 cm dicken Bodenplatte, die ein Gewicht von bis zu 100 Tonnen tragen kann – wird man das Gefühl nicht los, durch das Reich eines verspielten Riesen zu wandeln. Leider kann ich euch keine Fotos von den ausgestellten Arbeiten zeigen, da ich für die Veröffentlichung der Bilder eine Genehmigung bräuchte. Aber die Website des Museums und des Skulpturenparks vermittelt einen ersten Eindruck. Besser aber, ihr fahrt hin – informiert euch, wann eine öffentliche Führung durch den Skulpturenpark angeboten wird – und lasst euch selbst verzaubern.