Eine meiner Freundinnen hat ein ungewöhnliches Hobby: Sie nimmt gerne an Preisausschreiben teil. Und, Zufall oder Fügung, sie gewinnt ziemlich oft, meist zwei Plätze bei einer Veranstaltung. Gelegentlich darf ich sie begleiten, wie an den letzten beiden Samstagen zu einer chinesischen Teezeremonie. Zunächst wurden wir am Konfuzius-Institut in die Geschichte des Tees, die unterschiedlichsten Teesorten – weiß, grün, gelb, rot, schwarz und Oolong – sowie Wassertemperaturen, Gerätschaften und Süßigkeiten, die zum Tee gereicht werden können, eingeweiht. Ganz praxisnah ging es dann im Laifufu Teesalon in Neuhausen weiter: Zunächst sahen wir der Teemeisterin Pei-Jen Müller-Lierheim bei der Bereitung von grünem Tee und später verschiedenen Oolong-Teesorten zu, danach durfte jede von uns an einem eigenen Teezeremonie-Set sich selbst darin versuchen. Es ging nicht ums Auswendiglernen der einzelnen Handgriffe, sondern darum, ein Gespür für den Umgang mit dem jeweiligen Tee und, tja, man kann vielleicht sagen, seine Bedürfnisse zu bekommen. Eng damit verwoben ist die gesamte Zubereitung, das Vorwärmen der Kannen, des Ausgießers und der Tassen. Der Tee wird aus einer Dose auf eine kleine Präsentierschale gegeben und den Gästen gereicht. Sie betrachten ihn, schnuppern vielleicht auch dran, dann kommt er in eine vorgewärmte Tasse oder kleine Porzellan- oder Tonkanne, wird kurz geschüttelt und auch danach reihum den Gästen noch mal gereicht. Ich glaube, ab diesem Moment war mir klar, warum es „Teezeremonie“ heißt: Das hat nichts mehr mit Alltag zu tun, sondern mit Entspannung, Vorfreude und Genuss mit allen Sinnen.
Völlig hingerissen waren meine Freundin und ich von einem nur zu zehn Prozent fermentierten Huang Jin Gui Oolong. Oolong ist ein halbfermentierter Tee, wobei die Stärke der Fermentierung völlig unterschiedliche Aromen erzeugt, z.B. blumig-frisch, rauchig-herb oder holzig-zitrusfruchtig. Allerdings: Wassertemperatur, Teemenge und Ziehzeit sowie der jeweilige Aufguss spielen ebenfalls eine große Rolle, können das Beste aus einem Tee hervorlocken – oder ihn total verderben. Die Teemeisterin muss also den jeweiligen Tee (selbst der Jahrgang spielt, wie bei anderen Naturprodukten, etwa Weinen, eine Rolle) sehr gut kennen und viel Erfahrung mit dem Aufgießen sammeln. Unsere Teemeisterin goss den Oolong in hohe, schmale Mini-Gefäße, setzte eine winzige Teeschale darauf und drehte das ganze einmal um. Dieses Set bekamen wir dann gereicht. Wir zogen in einer Art Drehbewegung das Mini-Gefäß aus der Schale nach oben, wobei der Aufguss in die Schale floss. Vor dem Trinken genossen wir zunächst „Dufttassen“: das Aroma des Tees in dem nun leeren Mini-Gefäß – für mich Glück pur und eine beeindruckende Erfahrung des Im-Hier-und-Jetzt-Seins! Der Teezeremonie beizuwohnen und auch sie selbst durchzuführen, schenkt eine Ruhe, die unverhofft in Flow übergeht, ja Meditation wird. Wir fühlten uns reich beschenkt.
Vor unseren Lehrstunden an den beiden Samstagnachmittagen im Teesalon erlaubten wir uns zusätzlich noch jeweils einen köstlichen Seitenschlenker. Die kleine Konditorei Tanpopo in der Maillingerstraße lockte mit ihren verführerischen Törtchen und Kuchen. Beim ersten Besuch reichte die Zeit nur für zwei Beeren-Mürbeteigtörtchen auf die Hand, den zweiten Besuch versüßten uns Zitronen-Tarteletts mit kleinen Baisertupfen. Dem Motto der Konditorei, „Kuchen machen glücklich“, stimme ich vollkommen zu. Und dann erfuhr ich, dass der Name des Teesalons Laifufu „das Glück möge kommen“ bedeutet. Also bei uns war es mehrfach zu Besuch an diesen Wochenenden, es ist uns aber jederzeit wieder willkommen.