Überaus berauschend ist der Blick vom Panoramaweg in Burghausen auf die Burganlage und den Fluss Salzach. Das Riesengemäuer erstreckt sich 1051 m auf einem schmalen Bergrücken oberhalb der Altstadt und gilt als längste Burganlage Europas und, seit einem Eintrag im Guinness-Buch der Rekorde, auch als längste Burg der Welt. Der langfristige Plan für den Tag war die Fahrt mit einer Plätte, so heißen die Holzkähne, mit denen früher Salz, das weiße Gold, von Hallein bei Salzburg nach Burghausen transportiert wurde. Der Bund Naturschutz mit dem ich mal wieder unterwegs war, hatte diese Wanderung bereits 2013 angeboten. Damals fiel die Plättenfahrt wegen Hochwasser aus. Und was passierte diesmal? Obwohl am Vortag genügend Wasser signalisiert worden war, herrschte plötzlich Niedrigwasser. Tja, so sind die Flusspegel, sie steigen und fallen von heute auf morgen. So erkundeten wir die Umgebung der Stadt und fielen quasi in ein Zeitloch: Das Burgfest am letzten Wochenende hatte jede Menge Mittelalter-Fans angezogen, die in alten Gewändern und Zelten die Vergangenheit ziemlich originalgetreu wieder aufleben ließen, Schwerter und Lagerfeuer, über denen gusseiserne Kessel baumelten, inklusive.
Ähnlich spektakulär gelegen wie die Burghausener Burg ist die Wallfahrtskirche Marienberg, die aber hoch über dem Salzachufer eher so etwas wie eine Punktlandung hingelegt hat: Sie wirkt ziemlich rundlich und wartet in ihrem Inneren mit derartig viel Gold, Engeln und einer Reihe von Ganzkörperreliquien auf, dass ich mich frage, wie ein Mensch sich da noch auf eine Predigt konzentrieren kann. Singen wäre neben dem vielen Staunen vielleicht noch drin, ach, was rede ich: jubilieren! Und als wäre das noch nicht Glanz und Glorie genug, ging’s in der über 800 Jahre alten Klosterkirche Raitenhaslach mit einer überwältigenden Rokoko-Ausstattung gleich mal im selben Stil weiter. Wie sagte eine kunstgeschichtlich offensichtlich gut informierte Mitwanderin so treffend: „Theatrum sacrum!“ Das trifft’s genau und die Baumeister hatten vor dem Altarraum auch tatsächlich einen steinernen Vorhang angebracht. So viel Kunst und Kultur macht hungrig. Zum Glück ist dem Kloster Raitenhaslach auch eine nette Klostergaststätte angeschlossen, den Braubetrieb, der dort 1313 aufgenommen wurde, gibt’s leider nicht mehr. Da wir nun nicht per Boot Burghausen anlaufen konnten, näherten wir uns über den Uferweg der Stadt wieder an. Dort zeigten Hochwassermarken an einem Haus, wie stark die – an diesem Tag ja sehr zahme – Salzach ansteigen kann. In Burghausen selbst erkundeten wir den schönen Straßenzug „In den Grüben“. Dort weist die „Street of Fame“ mit Bodenreliefs auf noch eine schöne Veranstaltung hin, die es seit 1970 jedes Frühjahr gibt und mittlerweile viele Besucher anzieht: die Internationale Jazzwoche. Die Jazz-Musikerinnen sind ein wenig unterrepräsentiert – bisher wurde nur Ella Fitzgerald mit einer Messingplatte bedacht. Mir würde ja noch Cassandra Wilson vorschweben …